
Wenn die Wüste ruft
Gemeinsam mit seinen beiden Freunden Gerhard und Udo stopft er Rucksäcke, Luftmatratzen und ein Ersatzrad in einen blauen VW Käfer. Die Rückbank fliegt raus, der dritte Mann liegt während der Fahrt quer über dem Gepäck. Vor ihnen liegen 14.000 Kilometer, nur fünf Wochen Zeit, pro Kopf ein Budget von 500 DM. Davon sei sogar noch etwas übrig geblieben, sagt Klaus Därr, nicht ohne Stolz.
Sie knattern über den Balkan, durch die Türkei, immer den Hippie Trail entlang. So erreichen sie schließlich den Iran, wo sie verschleierte Frauen und bauchtanzende Männer bestaunen. In Teheran erkrankt Klaus an der Amöbenruhr, die ihn bis zur Heimkehr nach München quält. Ausgemergelt begrüßt er seine Eltern, die sich in ihrer Sorge bestätigt fühlen, der wohlerzogene Sohn käme drogensüchtig von seiner Hippie-Reise zurück.
Ein Lächeln zeichnet sich unter dem grauen Schnurrbart ab, als Klaus Därr das erste Abenteuer schildert. Er trägt eine khakifarbene Outdoorhose und ein hellgraues Hemd, auf dessen linker Brust ein roter Fuchs aufgestickt ist. Gemeinsam mit seiner Frau sitzt er an einem großen Esstisch und blickt auf die Mangfall.
Sorgsam ausgewählte Souvenirs dekorieren sein Haus in Bruckmühl. Über dem Kamin hängt eine Rindermaske aus Kamerun, an der Wand gegenüber baumeln Pfeilspitzen, Köcher, Dolche, ein Revolver und ein tschadisches Wurfbeil der Tubu. Ein mit Mitbringseln vollgestopftes Haus finde er schrecklich, sagt er und räuspert sich. Dann erzählt er von seiner zweiten Reise, seiner zweiten großen Liebe, der Sahara.
„Von Sandreifen hatten wir noch nichts gehört“
Wieder fahren sie zu dritt. Wieder mit einem alten PKW. Diesmal ist es ein Peugeot 404. Die drei Studenten verstauen Ersatzteile, Treibstoffkanister und drei Ersatzreifen. In Spanien setzen sie mit der Fähre nach Nordafrika über, durchqueren Marokko und Algerien.
Erika Därr sitzt ihrem Mann gegenüber und lauscht. Über das sandfarbene Safarikleid hat sie ein mit Kamelen bedrucktes Tuch drapiert. Die 68 sieht man ihr genauso wenig an wie ihrem Mann die 70. Erika ist seine große Liebe, seit 1968. Während Klaus Därr mit alten PKW durch die Wüsten rumpelt, arbeitet sie als Erzieherin in München. Doch auch Erika will die Welt sehen. 1972 begleitet sie ihn in einem Mercedes 319 D in die Sahara. Klaus wird diesen Trip später als gelungenen Probelauf für die Ehe bezeichnen. Erika hätte diese Reise fast nicht überlebt.
Neben dem Krankenhaus warten die Geier
Das Paar kauft eine vom ADAC eine pensionierte Straßenwacht, mit der sie von Westafrika durch die Zentralsahara nach Ostafrika fahren wollen. Doch schon in Burkina Faso erkrankt Erika an Diarrhoe und Fieber. In Zinder, der zweigrößten Stadt Nigers, schleppt sie sich in ein Buschkrankenhaus. Um das Krankenhaus herum verlaufen Abwasserkanäle, die beißenden Gestank verbreiten. Daneben hocken die Geier. Ein Arzt spritzt Erika Chinin gegen die Malaria.
Wenige Tage später geht die Reise weiter. Das Paar kämpft sich durch Kamerun in den Kongo. Es ist Regenzeit. Die Straßenwacht buddelt sich in jedes Schlammloch. Immer wieder müssen sie warten. Auf Einheimische, auf allradgetriebene Fahrzeuge. Erika leidet inzwischen an Gelbsucht, kann kein Essen mehr bei sich behalten. Ihr Körper schwankt zwischen Krämpfen und Ohnmacht. Sie hält bis Ruanda durch, gut 2000 Kilometer quer durch Zentralafrika. In Kigali sucht sie ein Missionskrankenhaus auf, in dem ein Arzt eine schwere Hepatitis A diagnostiziert.
Das Baby als Passierschein
Klaus Därr erinnert sich an die Reisevorbereitungen. „Die Pampers belegten ein Drittel des Dachgepäckträgers.“ Der Land Rover muss außerdem zehn Treibstoffkanister, ein 200-Liter-Dieselfass, Sandbleche, Schaufeln, Bergegut, Ersatzteile und ein Dachzelt transportieren. Im Fahrzeuginneren steht eine Alukiste mit Babynahrung und Kleidung, hinter den Fahrersitzen kauert ein Bettchen. „Im Nachhinein betrachtet, waren wir ganz schön mutig“, murmelt Erika. „Allein die Malariavorsorge für das Kind war sehr schwierig.“
Irgendwo in den Nuba-Bergen kracht der Land Rover auf einen Felsen, der sich zwischen den tiefen Reifenspuren versteckt. Die Räder greifen ins Leere. Klaus befreit den Geländewagen mit dem Seilzug. Doch auch mit Bodenkontakt macht der Landy keinen Meter mehr.
Klaus vermutet einen Getriebeschaden und erwägt, das Getriebe auszubauen, es zu Fuß nach Kaduqli zu schleppen und von dort nach Khartum zu trampen. Rund 800 km müsste er zurücklegen. Frau und Tochter sollen im Busch bleiben. Zwei Wochen. „Es wär´ ja nicht anders gegangen“, sagt Erika. Aber, räumt sie ein, Angst hätte sie doch gehabt.
Astrid Därr hat diese Reise übrigens gut überstanden. Sie arbeitet heute als Reisejournalistin, lebt mehr als sieben Monate im Jahr im außereuropäischen Ausland und berichtet aus den entlegensten Regionen.
Fotos: © Erika und Klaus Därr
Lesetipp: Irgendwann erwischt´s dich dann von Klaus Därr

Klaus Därr blickt zurück auf 50 Jahre Globetrotter-Reisen, für die er jeweils ein geeignetes Fahrzeug kauft, das er anfangs nur provisorisch, später immer professioneller ausrüstet. Spannende Geschichten, mal lustig, mal nachdenklich, für alle, die Lust auf Reisen auf vier Rädern haben. Erschienen im Reise Know-How-Verlag.
Lesetipp: Marokko und Südmarokko von Astrid und Erika Därr
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